Rudolf Folkerts, Marienhafe

Geschichtsdaten Ostfriesland

Zusammengestellt nach Daten von Werner Haarnagel in Möhlmann "Ostfriesland"

Der Marienhafer Kirchhügel war bereits vor der Christianisierung vorhanden. Möglicherweise war er einst eine friesisch-germanische Thingstätte.

Im 8./9. Jahrhundert fand die Landnahme statt. Es entstanden bäuerliche Warfen, das waren meist schmale, langgestreckte Aufschüttungen.

In gleicher Zeit entstanden die Handelssiedlungen (Wike), die zugleich Stapelplätze waren. Sicher erfaßt sind Emden, Groothusen, Grimersum, Nesse.

Sie alle lagen an alten Verkehrsstraßen und hatten enge Beziehungen zum Niederrheingebiet. Es gab also schon damals "Fernfahrer".

785 kam Ostfriesland unter fränkische Oberherrschaft (Karl der Große)

Um 800 gab es den Emsgau, den Federitgau und den Gau Nordendi.

Im Westen war die Bucht von Sielmönken eingebrochen, Manslagt war eine Insel geworden; die Abelitz floß in nördlicher Richtung, die Ley von Südosten und das Norder Tief von Nordosten in die Leybucht.

Am 26.12.838 ist nach Carl Woebcken der erste Einbruch der Leybucht geschehen.

Um 900 wirkte Ludger als Missionar für das westliche Ostfriesland mit dem Emsgau, der im Westen dem Festland vorgelagerten Insel Bant, dem Federitgau und vermutlich auch für den Gau Nordendi. Er stiftete sehr wahrscheinlich eine Wallfahrt von Leer, wo er die erste Kirche errichtet haben soll, nach Marienhafe. Daraus kann geschlossen werden, daß die Kirche in Marienhafe ebenfalls von Ludger errichtet worden ist.

Bald danach traten sehr schwere Sturmfluten auf, die gewaltige Wassermengen in Bewegung setzten und so erhebliche Land-Abbrüche verursachten.

Die Insel Bant wurde zerstört. In den natürlichen Wasserläufen, die sich einen Weg von den Mooren, die weite Gebiete des inneren Ostfrieslands bedeckten, zur Nordsee gesucht hatten, fraß sich bei solchen Sturmfluten die See tief ins Land hinein. Dadurch wurde für lange Zeit der Emsgau vom Federitgau getrennt.

Mitte des 12. Jahrhunderts wurden "die Brokmer" in der "Oestringer Chronik" erwähnt.

17.02.1164 Es ereignete sich eine Naturkatastrophe großen Ausmaßes:

Mit der als "Julianenflut" bezeichneten Sturmflut wurden die Reste der Insel Bant praktisch vernichtet. Die überlebenden Bewohner mußten sich ein neues Zuhause suchen; viele von ihnen kamen ins Brookmerland und siedelten auf seinen Hochooren, wo sie vor Sturmfluten so gut wie sicher waren.

Dies wird als Beginn der Besiedlung des Brookmerlandes angesehen, das bis dahin als eine unwirtliche Landschaft galt.

Die "Brokmer", wie die Bewohner bald genannt wurden, entwickelten in kurzer Zeit ein stabiles Gemeinwesen mit eigenen Gesetzen.

Der "Brokmerbrief", das Landrecht des Brookmerlandes, gilt noch im 20. Jahrhundert als vorbildliche Rechtsschöpfung.

Um 1200 ereignete sich der schwerste Einbruch der Leybucht; ein Ausläufer fraß sich ins Land bis nach Canhusen.

1276 wird die älteste Ausfertigung des Brokmerbriefes erwähnt, des Landrechts des Brookmerlandes. Das Original bewahrten die Mönche in der Marienkirche zu Marienhafe auf.

Um die gleiche Zeit war durch natürliche Anlandung (und sicherlich durch ergänzende Arbeiten der Bewohner) die Trennung von Ems- und Federitgau behoben; die "Bucht von Sielmönken" war verlandet.

Inzwischen hatte sich die Propstei Uttum gebildet, der auch das Brookmerland zugeteilt worden war. Die selbstbewußten Brokmer drängten aber auf Loslösung von Uttum und erreichten nach heftigen Auseinandersetzungen schließlich auch die Bildung einer eigenen Propstei "Brokmannia" mit dem Sitz in Marienhafe.

1362 Affo Beninga von Pilsum wird als Herr der Häfen von Marienhafe und "Capmasile" (bei Pilsum?) genannt.

1371 Keno nennt sich "Häuptling im Brokmerland".

1385 sind die "Neuen Lande" bei Marienhafe eingedeicht.

1390 Widzel tom Brok verwaltet das Brookmerland.

1396 Widzel tom Brok öffnete den Seeräubern den Hafen von Marienhafe als sicheren Unterschlupf vor der Verfolgung durch die Hamburger.

1413 Erste lockere politische Einigung Ostfrieslands unter Keno II. nach Überfall auf Emden.

1427 Auf den "Wilden Äckern" in Upgant fand die Entscheidungsschlacht zwischen den tom Broks und den Ukenas statt.

Vor 1437 entstand der erste Siel bei Eilsum (Angernwehr).

1437 hatte die Marienkirche in Marienhafe ("curia virginis gloriosa") bereits eine Orgel. Es war vermutlich die älteste in Ostfriesland nachgewiesene Orgel.

Um diese Zeit war wahrscheinlich auch schon eine große Kirchenglocke vorhanden, die rund zweihundert Jahre später (1605) als das "Olle Monumentum" erwähnt wurde (vgl. dort).

Marienkirchen gab es außer in Marienhafe noch im Kloster Aland ("ripa Marie virginis") und Greetsiel; dorthin ist dieser Name vermutlich vom Kloster Appingen 'mitgenommen' worden.

1453 Ostfriesland wurde unter den Cirksenas erstmals eine territoriale Einheit.

1498 wurden die "Wirdumer Neulande" mit Canhusen eingedeicht. Ein Siel entstand bei den späteren Höfen "Herrenhaus" und "Wirdumer Grashaus".

Um 1600 wurde ein Siel bei Eilsum erbaut, der zwar 1665 bei einer Sturmflut "herausgerissen" -- also wohl nicht gerade zerstört, aber doch stark beschädigt -- wurde. Er muß aber dennoch weiter funktionsfähig gewesen sein, denn er blieb noch bis 1727 in Betrieb.

Den ältesten Siel an der Leybucht hat es nach Ohling ("Die Acht und ihre sieben Siele") bei Siegelsum gegeben. Das Jahr der Erbauung ist nicht bekannt.

Um 1600 gab es in Osteel noch 2 Wattfischer. Demnach muß zu dieser Zeit noch eine direkte Zufahrt zum Watt (Leybucht) bestanden haben; sie verlief wahrscheinlich von der Nordgrenze des Dorfes aus nach Westen.

Um 1600 floß die "Alte Riede" zur Abelitz.

1603/4 wurden die "Schoonorther Lande" eingedeicht.

Ab 1605 verschlickte (nach Eindeichung der "Schoonorther Lande" durch holländische Mennoniten) der Siel bei Eilsum, blieb aber weiter, so gut es ging, noch bis 1727 in Betrieb.

Das Sieltief wurde in der Folgezeit bis Greetsiel ausgebaut, wo nun ein neuer Siel entstand.

1706 Nach einer Beschreibung aus diesem Jahre gab es vor Eilsum eine "Außenmuhde"*), das "Eilsumer Sielgatt".

Vor Eilsum hatte sich etwa 300 Meter weit ein "Heller" gebildet, ein Anwachs, der nur noch bei sehr hohen Wasserständen überflutet wurde. Dann folgten etwa 650 Meter Watt und danach eine 7 Fuß tiefe "Balge" **), in die die "Kerkenriede" mündete, ein Wasserlauf, der - von See her gesehen - ziemlich direkt zur Marienkirche von Marienhafe führte.

Der Name "Kerkenriede" wurde etwa von 1800 an durch die noch heute geläufige Bezichnung "Störtebekertief" abgelöst.

*) "Muhde" = Mündung = Außentief
**) "Balge" = ein Wasserlauf im Watt

Um 1800 gab es im Bereich der früheren Leybucht drei Deichachten:

1.) Die Wirdumer und Schoonorther Deichacht

2.) Die Nordbrookmer Deichacht

3.) Die Südbrookmer Deichacht

Sie betreuten sogenannte "Schlafdeiche" *) in einer Gesamtlänge von 998 Ruthen.**)

Alle drei Deichachten sind inzwischen aufgelöst, da ihre Aufgaben beendet waren.

*) Als "Schlafdeiche" werden Deiche bebezeichnet, die nicht mehr direkt an die See grenzen, weil vor ihnen liegende Anwachsflächen inzwischen eingedeicht wurden. Schlafdeiche werden solange instandgehalten, bis die neuen Deiche als sicher gelten können. Erst dann dürfen sie abgetragen werden.

**)"Ruthe" oder "Rute" war ein gebräuchliches Längenmaß, das aber sehr unterschiedliche Längen aufwies:

Nach Buurmann umfaßte eine Rute 16 Hannoversche Foot, 1 Foot hatte ca. 30 cm

Im Wilhelmshavener Heimatlexikon werden die preußische Rute mit = 3,766 m und die hannoversche Rute vor 1836 mit = 4,662 m, nach 1836 mit = 4,674 m aufgeführt.

Copyright am 24.3.1993.