Rudolf Folkerts, Marienhafe
In oll Huusen geiht dat smals rar to. Spöök is dat neet, un verklaaren kannst ook neet, wo 't angahn kann; man 't gebört doch hen un werdenn, un nüms kann denn seggen, dat 't neet so west weer...
Uns Mooder hett dat mennigmal vertellt, wenn wi in 't Schummerdüstern binanner satten un se up olle Tieden to prooten kwamm. Se hett dat je sülms bilävt, un dat is wiß un warraftig wahr.
So um 1910 of ook wat ehrder is in Osteel mien Mooder as junge Bruut to'n ersten Mal up de olle Folkerts'sche Buurenplaats, de to de Tied noch tüschen de Postweg un de Karkpad stunn, aver Nacht bläven. Se schleep in de Butz' för Visit in de Upkamer; all annern schleepen do na oll Wennst ook noch in Butzen.
Anner Mörgen frog hör angahnd Schweegermooder hör, off se in dat unwennt Bedd denn good schlapen harr. Dat was best up Stä west, sä se. Man denn frog se, well dor in de Nacht sungen harr, dat harr so bisünners moij klungen. "Och Herr, Kind," kreeg se to Antwoort, "hest Du dat ook hört?" Un denn vertell se, dat hör un mennig anner Fro vördem dat nettso gahn was in de erste Nacht, de se hier schlapen harrn. Dor höw se sück nix bi denken, dat hör all van ollste Tieden her to dat Huus. Man well dor singen dee, dat harrn hör ook hör Schweegermooder un hör Schweeger-Grootmooder, de dat beid nettso belävt harren, neet seggen kunnt. Dat muß woll 'n heel moijen un fixen Fro wäsen, na dat 't smals klingen dee, so 'n heller un klaar Stimm, as dat was. Dor was heel wiß nix quads bi, un dormit muß 'n läven, nett as all de annern vördem ook.
Dormit was 't all seggt, wat der seggt worrn muß. Man: Neet elk un een kunn dat Singen hören in de erste Nacht up disse Plaats. För de, de 't hören dee, was dat een Teeken dorför, dat se of he hier gern un good upnahmen wurr. Un dat is je ook all wat.
Dat Lied, dat dor sungen wurr, kenn nüms, neet die Wies un neet de Woorden. Man hört hemmens 't all. Uns Mooder, de sülms recht good singen un'n neijen Wies ook best upgriepen kunn, harr 't heel gern lären wullt. Dat hett se faak genug vertellt, wenn de Proot up hör erste Visit in Osteel kwamm. Dat is hör neet mitloopen, un dat hett hör naar spiet't un spiet't uns noch vandaag.
Nu steiht de Plaats neet mähr. Dat Singen in de Nacht sall 't ook woll neet mähr gäben, tominnst hemmen wi der noch nooit wär wat van hört. Schaa, man wat vörbi is, dat is nu mal vörbi...
Rudolf Folkerts, Marienhafe
In alten Häusern geht es bisweilen seltsam zu. Spuk ist das nicht,
und erklären kann man auch nicht, wie das zugehen kann; aber es
passiert eben doch hin und wieder, und niemand kann dann sagen,
daß es nicht so gewesen wäre.
Unsere Mutter hat es oftmals erzählt, wenn wir in der Abenddämmerung zusammensaßen und sie auf vergangene Zeiten zu sprechen kam.
Sie hat es ja selbst erlebt, und es is die reine Wahrheit.
So um 1910 oder vielleicht auch etwas eher hat unsere Mutter als
junge Braut zum ersten Mal in dem alten Folkerts'schen Bauernhof,
der damals noch zwischen dem Alten Postweg und dem Kirchpfad
stand, übernachtet. Sie schlief in der Butze für Besucher in der
Upkamer; alle anderen Familienmitglieder schliefen alter Gewohnheit gemäß ebenfalls noch in Butzen.
Am andern Morgen wurde sie von ihrer künftigen Schwiegermutter gefragt, ob sie in dem ungewohnten Bett auch gut geschlafen hätte.
Das sei bestens in Ordnung. sagte sie. Doch dann fragte sie, wer
denn in der Nacht gesungen habe, das habe so besonders schön geklungen. "Ach Gott, Kind" erhielt sie zur Antwort, "hast Du das
auch gehört?" Und dann erzählte sie, daß sie und andere Frauen vor
ihr in der ersten Nacht, die sie hier verbrachten, das Gleiche erlebt hätten. Dabei brauche sie sich nichts zu denekn, das gehöre
schon von ältesten Zeiten her zu diesem Gebäude. Aber wer da singen würde, das hätten ihr weder ihr Schwiegermutter noch ihre
Schwieger-Großmutter sagen können, die beide dasselbe erlebt hätten. Es müsse, dem Klang nach zu urteilen, wohl eine sehr schöne
und stattliche Frau sein, mit einer hellen und klaren Stimme. Das
Ganze habe nichts Schlechtes zu bedeuten; man müsse damit leben,
wie all die andern vorher auch.
Damit was alles gesagt, was gesagt werden mußte. Aber: Nicht jede
Frau könne das Singen in der ersten Nacht auf diesem Hof hören.
Für diejenige, die es hören könne, sei das ein Zeichen dafür, daß
sie hier gerne und gut aufgenommen würde. Und das ist ja auch etwas.
Das Lied, das da gesungen wurde, kannte niemand, weder die Melodie
noch den Text; aber gehört haben es alle. Unsere Mutter, die
selbst recht gut singen und eine neue Melodie auch bestens erfassen Konnte, hätte das Lied gerne erlernt. Das hat sie uns oft genug gesagt, wenn sie von ihrem ersten Besuch in Osteel erzählte.
Das hat leider nicht geklappt; das hat sie sehr bedauert, und wir
bedauern es noch heute.
Jetzt steht der Hof nicht mehr. Das Singen in der Nacht wird es
wohl auch nicht mehr geben, zumindest haben wir noch nichts wieder
davon gehört. Schade, aber was vorbei ist, das ist nun einmal
vorbei...
Singen in der Nacht